Selbstregulierendes Kissen – ein Quantensprung in der Dekubitus-Prävention
Jahresbericht REHAB Basel
Als Bettina Senft zum ersten Mal eine Hautverletzung am Gesäss feststellte, die durch das lange Sitzen im Rollstuhl verursacht wurde, hatte sie das Problem noch unterschätzt. Aus der Verletzung entwickelte sich ein Dekubitus respektive ein Druckgeschwür.
Nach sechs Wochen Liegen war die Wunde geheilt. Es blieb aber eine Narbe zurück, die in den folgenden Jahren immer wieder aufgegangen ist. «Dann musste ich wieder mehr liegen, die Wunde ging zu, nach zwei Jahren wieder auf… Über zehn Jahre war es ein Hin und Her», erzählt Bettina Senft. «Bis es mich 2023 richtig erwischt hat. Damals ist es konservativ nicht mehr abgeheilt und ich musste operiert werden.»
Langwieriges und teures Leiden Etwa jede dritte Person, die im Rollstuhl sitzt, leidet mindestens einmal an einem Dekubitus. Eine Behandlung über acht bis zehn Wochen inklusive Operation kann gegen 100’000 Franken kosten. Für die Betroffenen bedeutet ein Dekubitus ein grosses Leiden und wegen der langen Liegezeit eine enorme Einschränkung.
Zündende Idee Uwe Schonhardt ist Ergotherapeut im REHAB Basel. Sein Spezialgebiet ist die Optimierung der Sitzposition von Patient*innen im Rollstuhl. Früher arbeitete er als Entwicklungsingenieur im Maschinenbau. Sein technisches und therapeutisches Fachwissen war vor neun Jahren die Grundlage für die zündende Idee: ein Sitzkissen, das die Druckverteilung am Gesäss kontinuierlich misst und verändert, damit nie zu lange zu viel Druck auf eine Stelle wirkt. Funktionieren müsste es mit sensorgesteuerten Luftkammern, die in bestimmten Zyklen belüftet und entlüftet werden. So sollte die Wahrscheinlichkeit eines Dekubitus minimiert werden können.
Unterstützung vom REHAB Basel Von der brillanten Idee zum markttauglichen Produkt ist es ein steiler Weg. Uwe Schonhardt machte sich auf, und er erhielt wertvolle Unterstützung vom REHAB Basel. Chefärztin Margret Hund-Georgiadis war von Schonhardts Idee überzeugt. Auch die Schweizer Paraplegiker-Stiftung hat finanziellen Support geleistet. Mit Kollegen, die weiteres Know-how einbrachten, hat Uwe Schonhardt während sieben Jahren das Entlastungskissen entwickelt. Zusammen gründeten sie die RELiYOO AG. 2023 konnte Bettina Senft das Hightech-Kissen als Testperson entgegennehmen.
«So viel Lebensqualität!» «Der grosse Komfort, den das Reliyoo-Kissen bietet, ist im Kopf», sagt Senft. «Man dreht nicht gleich durch, wenn einem auffällt: Oh, ich sitze eine halbe Stunde länger als geplant! Das Kissen verhindert die Angst, dass ein Dekubitus entsteht.» Unter ärztlicher Kontrolle wird ihre Sitzzeit langsam erhöht. Senft nähert sich ihrem Ziel, zehn Stunden am Stück sitzen zu können. Ihre Vorfreude ist gross: «Wenn ich mir vorstelle, ich darf dann den ganzen Tag sitzen und muss mir nicht ständig überlegen, wo ich entlasten kann… – das ist so viel Lebensqualität!» Im REHAB Basel ist man auch ein wenig stolz darauf, zur Entstehung eines Produkts beigetragen zu haben, das vielen Rollstuhlfahrer*innen das Leben wesentlich erleichtern wird. Die Markteinführung des RELiYOO
Sitzkissens ist im Mai 2025 geplant.